Roßhalde von Hermann Hesse

Roßhalde von Hermann Hesse

Mit Gertrud hatte ich hier bereits ein Buch vorgestellt, das zu Hermann Hesses unbekannteren Werken zählt. Auch das zweite vorgestellte Buch des berühmten Autors passt in diese Kategorie. Roßhalde zählt ebenfalls als Frühwerk und erschien vor den bekanntesten Büchern wie Steppenwolf, Demian oder Narziß und Goldmund, die Hesse weltweit bekannt machten. Man kann durchaus einen sprachlichen Unterschied im Vergleich zu den späteren Büchern erkennen.

Roßhalde von Hermann Hesse

Der Titel Roßhalde bezieht sich auf den Namen des Anwesens, das der bekannte und berühmte Maler Johann Veraguth zusammen mit seiner Frau Adele, dem jungen Sohn Pierre und teilweise dem älteren Sohn Albert bewohnt. Recht früh in der Erzählung wird klar, dass die Verhältnisse innerhalb der Familie relativ zerrüttet sind.

Zerrüttet mag hier vielleicht etwas zu hart klingen, da es abgesehen vom Verhältnis des Vaters mit dem älteren Sohn keine Feindseligkeiten gibt. Veraguth und seine Frau haben sich aber auseinandergelebt und leben in der Realität getrennt, wenn auch nicht offiziell. Der Maler hat im Laufe der Jahre sein Atelier ausbauen lassen und wohnt jetzt dort, auf dem gleichen Grundstück, auf dem auch das Haupthaus steht, nicht weit von diesem entfernt. Pierre ist der einzige Verknüpfungspunkt zwischen diesen beiden Welten.

Roßhalde beschreibt eine Beziehung, die nicht mehr zu retten ist

Veraguth sieht seine Frau eigentlich nur noch zum Essen. Beide lieben den jüngeren Sohn Pierre und konkurrieren um diesen, ohne dabei wie gesagt feindselig zu werden. Der ältere Sohn Albert hingegen verachtet seinen Vater und wurde zu einem früheren Zeitpunkt, also vor Beginn der Erzählung, auf ein Internat geschickt. Zu Beginn des Buches kehrt er aber für die Sommerferien in das Haus zurück und Vater und Sohn versuchen einigermaßen miteinander auszukommen, indem sie sich größtenteils aus dem Weg gehen und sich ansonsten mit etwas krampfhafter Höflichkeit begegnen.

Fast zeitgleich mit Albert kommt auch Veraguths bester Freund Otto Burkhardt zu einem Besuch an. Beide kennen sich bereits aus der Kindheit, Burkhardt lebt aber mittlerweile in Asien, so dass die Freunde sich nur alle paar Jahre einmal sehen. Auf Roßhalde angekommen fällt Burkhardt sofort auf, dass sich die Familienverhältnisse sehr zum Negativen verändert haben und auch der alte Freund nicht mehr der zu sein scheint, der er einmal war.

Bereits nach kurzer Zeit sprechen sich die Freunde über die Situation aus und Veraguth gesteht Burkhardt das ganze Ausmaß seiner familiären Situation. Zum ersten Mal hat der berühmte, aber zurückgezogen lebende Maler eine andere Person, der er sich anvertrauen kann. Er erzählt, dass er sich bereits vor längerer Zeit von Adele trennen wollte und beide charakterlich nie zusammengepasst haben. Er hätte seiner Frau seinen kompletten Besitz und das Anwesen Roßhalde überlassen, wenn er Pierre bei sich hätte behalten können, was Adele jedoch ablehnte. Seitdem leben die Eheleute nebeneinander her.

Flucht aus der verfahrenen Situation

Nach der Aussprache schlägt Burkhardt seinem Freund einen möglichen Ausweg aus dessen scheinbar aussichtsloser Situation vor. Er solle zumindest zeitweise mit ihm nach Asien kommen, um Abstand zu gewinnen, neue Inspirationen für seine Malerei und einen neuen Blick auf das Leben zu gewinnen. Dafür solle er auf Pierre verzichten. Veraguth ist sehr fasziniert von dieser Aussicht, kann aber aufgrund seiner Liebe zu Pierre nicht direkt zusagen.

Nachdem Burkhardt vorerst (aufgrund der bedrückenden Atmosphäre vor Ort) wieder abgereist ist, stürzt sich Veraguth in die Arbeit und beginnt ernsthaft über seine Zukunft nachzudenken. Ihm wird klar, dass er alles von sich werfen und von Neuem beginnen muss, sowie dass seine Familie auch ohne ihn klar käme. Nach einer Weile fasst er den Entschluss, tatsächlich mit seinem Freund zu reisen und die Roßhalde für immer zu verlassen.

Diese Entscheidung teilt Veraguth seiner Frau mit, der (korrekterweise) sofort klar wird, dass es sich nicht um eine Trennung auf Zeit handelt würde, sondern um eine endgültige. Auch wenn sie erst daran zu knabbern hat, sieht sie ein, dass er seinen Entschluss gefasst hat und sie sich mit der neuen Realität abfinden muss. Genau zu dieser Zeit erkrankt Pierre jedoch schwer an einer Hirnhautentzündung und die Welt der Eheleute wird wieder auf unsichere Beine gestellt. Viel mehr will ich an dieser Stelle nicht verraten, um nicht die ganze Geschichte zu spoilern.

Wie viele Bücher von Hermann Hesse enthält auch Roßhalde autobiographische Anleihen. Hesse selbst hatte mit seiner ersten Ehefrau Maria und den drei gemeinsamen Söhnen in Gaienhofen am Bodensee recht abgelegen gewohnt. Auch er (der Künstler, genau wie Veraguth) und seine Frau lebten sich auseinander und die Familien zerbrach. Hesse „floh“ wie Veraguth auch nach (Südost-)Asien (im Buch immer als Indien bezeichnet, obwohl es sich nicht um das Land Indien handelt). Nach Hesses Rückkehr trennten er und seine Frau sich recht schnell.

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